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„Atmen zu können ist eigentlich genug“

Sebastian Toledo ist Künstler und freiwilliger Mitarbeiter in einem Behindertenheim. Der Spanier erzählt von Kunst, Hoffnung, Inspiration und davon, was ihn im Leben glücklich macht.

Kunst, Toledo, Tirol, Spanien, Art(c) Benjamin S

Ein warmer Herbsttag in Innsbruck. Es ist zwei Uhr. Der Fön hat den Himmel leergefegt und bläst gegen die Türen des geschlossenen Kaffees. Öffnet sonntags um vier, steht auf der Tür. Na toll. Ich warte auf den Maler. War er schon hier und ist wieder umgedreht? Plötzlich kommt mir jemand aus der dunklen Gasse entgegen. Er winkt mir zu, ich winke zurück. Alles noch einmal gut gegangen.

Sebastian Toledo ist sein Name. Wir setzen uns ins nächste geöffnete Kaffee. Er spricht noch kein Deutsch, ich kein Spanisch. Sebastian ist ein fröhlicher Mann. Was ihn im Leben glücklich macht? „To be able to breath is quite enough.“ sagt er schmunzelnd und zeigt eine Reihe weißer Zähne. Er beginnt zu erzählen. Eigentlich stammt Sebastian Toledo aus Peru. Mit fünfzehn Jahren zog er mit seiner Familie nach Bilbao in Spanien. Was ihn erwartete, war ein Kulturschock. In Südamerika war alles anders. Seine Heimat ist konservativer, meint er, dort passiert alles viel langsamer, es gibt keinen Druck wegen der Arbeit. Spanien ist viel aktiver. Sei Künstlername verbindet ihn mit seiner alten Heimat. YAKU bedeutet „Wasser“ in der Sprache der Inka. „Es ist überall.“, erklärt mir Sebastian. In seinen Bildern spielt er mit den Symbolen der Inka. Oft tauchen sie in seiner Mappe auf, sie zieren die Körper der drachenartigen Wesen, die er mit schwarzem Stift auf weißes Papier zeichnet.

„To be able to breath is quite enough.“

Sebastian Toledo ist aus zweierlei Gründen nach Österreich gekommen. Zurzeit lebt er in St. Jodok und arbeitet über das Erasmus + Programm in einem Behindertenheim. Die Arbeit ist anstrengend, aber eine Bereicherung, manchmal sogar eine Inspiration. In Spanien hatte er eine Routine erreicht, die er mit seinen Reisen aufbrechen wollte. Nach einem Kurzzeit EFD (Europäischer Freiwilligendienst) in Lettland entschied er sich, einen solchen auch in Österreich zu machen, dieses Mal aber für längere Zeit. Der 27-Jährige will hier seine Kunst besser vertreiben und malen. Sebastian liebt die Kunst. Dabei ist er erst im Studium dazu gekommen. Sebastian hat in Bilbao Design studiert. Die bildenden Künste waren im selben Gebäude, er kam in Kontakt mit den dort Studierenden und begann, selbst zu malen. Sein Studium hat er zwar beendet, war seit dieser Zeit aber mehr in der Kunst zu Hause.

Kust, Art, Leben, Schön
(c) Sebastian Toledo

„Really bohemian times.“,

reflektiert er halbernst über seine Zeit an der Universität. Wie er mit der Malerei begonnen hat verrät sehr viel über seine Werke und seinen Stil. Er sei einfach auf den Müllplatz gegangen und habe sich Gegenstände geholt, die er malte oder bemalte, wie zum Beispiel ein Stück Holz oder Vorhänge. Er versucht auf jeder Oberfläche zu malen. Gefühle spielen in seiner Arbeit eine große Rolle. In den Bildern, die er malt, will er seine Emotionen ausdrücken. Nun die Standardfrage. Was inspiriert ihn? Er denkt einen Weile nach. Die Natur. Ein Mitarbeiter aus dem Heim hat mit ihm in Steinach eine Wanderung unternommen. Die Berge faszinieren ihn. Der Mitarbeiter hat ihm erzählt, dass man die Berge, auf deren Spitzen sich Kreuze befinden, besteigen kann. Da war schon jemand oben.

Kunst, Art, Liebe, Schönheit, Tirol
(c) Sebastian Toledo

Seine Vorbilder? Er mag den Expressionismus. Rothko und Pollock kommen ihm als erste über die Lippen. Basquiat und Raffael. Bei den Farben des Renaissancemalers kommt er ins Schwärmen wie ein Kind über ein neues Spielzeug. Während er arbeitet hört er Volksmusik aus den Anden. Ein anderes Mal wieder Rap oder Rock’n’Roll. Für ihn gehört alles zusammen. Auf dem Nachttisch hat er einen Notizblock liegen. Die Ideen kommen oft mit den Träumen und diese müsse man festhalten, deutet er mir, indem er mit den Fingern in ein imaginäres Notizbuch schreibt. Sebastian ist lebhaft und entspannt zugleich. Er ist einer, der die Dinge nimmt wie sie sind. Ich frage ihn, wo er sich in zehn Jahren sieht. „Ich kann’s nicht beeinflussen. Today is good.“ Er grinst und nimmt einen Schluck Kaffee. „Der Kaffee ist auch gut.“ Fürs Erste will er jetzt in Innsbruck eine Ausstellung machen. Davor hatte er unter anderem zwei in Madrid. Es sei nicht leicht, aber er habe ja noch ein bisschen Zeit. Wenn er es schafft auszustellen, wäre das sicher eine gute Gelegenheit. „I’m a dream person, I think.“, sagt er mit Selbstironie. Wir wollen zum Schluss noch ein Foto machen. Vielleicht bei dem Baum dort hinten, schlage ich vor. Ihm wäre ein anderer Platz lieber.

„I’m a dream person, I think.“

Wir zahlen. Vor einer Wand mit zwei Plakaten und Graffitis bleibt er stehen. Er betrachtet sie eine Weile. „Hier.“ Zwei Fotos sind sofort geknipst. Wir schütteln uns noch einmal die Hände. Er bedankt sich. Ich wünsche ihm Glück und Erfolg und habe das Gefühl, dass er eines davon schon besitzt.

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