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Ein stinknormaler Superheld

Von einem der loszog um die Welt zu retten.

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Es ist bereits später Abend als in Rathenow bei Berlin und Innsbruck die Laptops angeschmissen werden. Skype funktioniert nicht, Facebook verlangt nach einem anderen Browser, Facetime will, dass ich mich neu registriere. Eine halbe Stunde lang wird mit knapp 800 Kilometern Distanz mit derselben Technik gekämpft, bis schließlich ein unscharfes Bild auf meinem Display erscheint:

Norman, 38, Superheld, leicht verpixelt um die Nase.

Er ist Initator einer Gruppe, die in und um Berlin aufräumt. Mit Vorurteilen, Unwissen und ganz viel Müll – die Stinknormalen Superhelden. Der junge Mann hat eine kleine Familie und ein großes Projekt: die Welt zu retten. Aber Norman sagt das nicht nur – er macht das auch. Statt ein Interview zu führen unterhalten wir uns zwei Stunden lang wie alte Schulfreunde. Über das Dasein als stinknormaler Superheld, Mikroplastik in Zahnpasta und der Suche nach dem Glück.

Was ist das, dieses Glück, frage ich Norman. Es wird für einen Augenblick still bevor der 38-jährige antwortet: „Glück“, sagt er, „das sind die kleinen Momente, die so groß sind, dass es eigentlich ein Verbrechen ist, sie als klein zu beschreiben. Momente an der Ampel: Wenn ein kleiner Mensch neben dir hoch schaut, deine Hand fasst und sagt: Ich hab dich lieb, Papa. Oder der Moment beim Fußball spielen, wennn man den Ball so perfekt trifft, dass es scheppert im Gebälk. Familie,  gutes Essen, Musik und Wind in deinen Haaren.“

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(c) Valeria Zoncoll

Aber Glück, da sind wir uns beide einig: das ist auch Arbeit. Meistens passiert Glück nicht einfach so, es wächst durch Investitionen, durch den Willen sich zu entwickeln, durch Selbstreflexion. Oder dadurch etwas bewegt zu haben – und damit sind wir schon beim Thema: den stinknormalen Superhelden.

Vor fünf Jahren, erzählt mir der Held auf meinem Display, hat er gemacht was viele Menschen gerne machen: er saß mit seinen Freunden zusammen und hat sich beschwert über all die Dinge, die nicht passen. Kurz vorher hatte er zum Geburtstag seiner Schwester ein Foto-Shooting organisiert, in dem alle als Superhelden verkleidet waren. Da meinte eine Freundin: „Ihr seid doch jetzt Superhelden, nehmt es in die Hand“.

Gesagt, getan.

Kurze Zeit später bricht eine Gruppe Menschen als Superhelden verkleidet auf, um ein Naturschutzgebiet aufzuräumen. „Und du glaubst nicht, was wir da alles gefunden haben“, sagt Norman. „Ganze WC-Anlagen, Möbel, Laborutensilien – Abfall aller Art. Es schien die Menschen haben jahrelang ihren ganzen Müll mitten in der Natur entsorgt.“ Norman fotografiert die Aktion, stellt die Bilder ins Internet und geht damit viral. Die stinknormalen Superhelden waren geboren. Seither räumt eine Gruppe motivierter Menschen im Havelland und Berlin auf. Setzt sich für den Tierschutz ein, ruft Menschen auf sich bei der DKMS (Spender werden) als  Spender eintragen zu lassen und gibt Superhelden-Unterricht in Schulen.

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(c) Stinknormale Superhelden

„In 30 Jahren“, sagt Norman und wird dabei plötzlich sehr ernst, „ist mehr Plastik im Meer als Fische. Es ist eine Notwendigkeit sich mit Umweltschutz auseinander zu setzten.“ Deshalb gibt es Superhelden-Unterricht in Grundschulen. Nach einem kurzen Vortrag verkleiden sich die Kids und räumen gemeinsam Parks und Spielplätze auf. Auch das ist Glück erklärt er mir – wenn ein kleines Mädchen volle Kraft voraus in den Park stürmt und ruft: „Los wir schnappen uns den Müll!“

Das Motto der Superhelden ist simpel:

Jeder kann ein stinknormaler Superheld sein. Dafür musst du nicht besonders stark sein, hoch springen oder schnell rennen können. Du musst es nur wollen. Jeder kann sein Umfeld grüner und gerechter gestalten.

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(c) Stinknormale Superhelden

Es sind kleine Entscheidungen, die du täglich treffen kannst. Der Griff zu Stoff –  statt zur Plastiktüte, zum Beispiel. Je bewusster, desto besser. „Wusstest du“, fragt mich Norman, „dass in Zahnpasta Mikroplastik ist?“ Ich verneine und muss zugeben, dass ich mir beim Kauf von Zahnpasta noch nie Gedanken darüber gemacht habe die Umwelt zu verschmutzen. „Und dich selbst“, sagt Norman, „dein Körper nimmt das ja auf.“ (Mikroplastik-Ratgeber)

Die Superhelden sind ihm mehr als ein persönliches Anliegen, das spürt man wenn er darüber spricht. „Wir wollen den Menschen auf spielerische und unterhaltsame Weise wichtige Themen näher bringen“, sagt er und erklärt mir im nächsten Zug dass alle 16 Minuten ein Mensch in Deutschland an Blutkrebs erkrankt. „Stäbchen rein, Spender sein“, sagt er. Es sind Kleinigkeiten, die Leben retten können. Es sind Kleinigkeiten, die die Welt verändern können.

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(c) Stinknormale Superhelden

Als Journalistin sollte man nicht werten, als Bloggerin könnte man es tun, als Mensch kann ich es nicht nicht machen: ich bin begeistert von der Power, die in diesem Menschen steckt und frage mich, wie Norman es schafft, neben Arbeit und Familie noch die Welt zu retten. Das ist „ganz einfach“, erklärt mir der bodenständige Held: „Die Superhelden vereinen alle meine Hobbies, ich kann mich kreativ ausleben, Ideen verwirklichen, fotografieren und was Gutes tun. Du hast noch keine Kinder“, sagt er mir, „aber wenn du welche hast, wirst du wollen, dass sie auf sauberen Spielplätzten spielen und gesundes Essen zu sich nehmen.“

Ich klappte meinen Laptop zu und gehe ins Bad. Zum ersten Mal schaue ich mir die Inhaltsstoffe meiner Zahnpasta an – und werfe sie direkt in den Müll.

 

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