unmenschlich

Zwischen Schwarzenegger und Schildkröten

Wie Johannes Mahlknecht vom Anglisten zum kreativen Allrounder wurde

(c) Johannes Mahlknecht
Er ist promovierter Anglist und möchte doch nie mehr Akademiker sein. Johannes Mahlknecht hat sich mit 35 entschieden zu tun, was ihm wirklich was bedeutet: Illustrator sein, Autor und Bühnenmensch. Im Gespräch mit unhappyus erzählt er, in welchem Sinne J.K. Rowling noch immer Amateurin ist, wie eine Nahtod-erfahrung beim Marathon aussieht, wie man zehn Jahre Querflötenunterricht ohne Passion aushält und warum man Schwarzenegger und Schildkröten braucht, um vom Anglisten zur Rampensau zu werden.
(c) Johannes Mahlknecht

„Wer bin ich und wenn ja wie viele?“, will Precht in seinem Roman wissen. Gute Frage, hätte sich Johannes Mahlknecht bis vor einigen Jahren noch gedacht. Heute weiß der gebürtige Südtiroler besser Bescheid. Entspannt sitzt er im Café Central, pünktlich zum Interview-Termin. Es geht in medias res noch bevor die Aufnahme richtig läuft – wir kennen uns bereits.

Angetroffen habe ich Johannes erstmals als „rasenden Blogreporter“ beim Nature Film Festival 2018 – mit Laptop, Pressepass und einer Stofftasche voller Bücher. Seiner Bücher. Er habe seinen ersten Gedichtband publiziert, erzählte er damals, und drückte mir prompt ein Exemplar in die Hand. Eine halbe Minute später besaß ich zusätzlich einen Flyer, eine Visitenkarte und ein gemeinsames Selfie, #bloggeruntersich. Na der Mann weiß, was er will, dachte ich erstaunt – und der Eindruck sollte mich nicht täuschen.

Filmforscher oder nicht Filmforscher…

(c) Johannes Mahlknecht

Bereits als humanistischer Gymnasiast setzte er auf Englisch und Deutsch. „Dass ich studieren würde, war gar keine Frage,“ erinnert sich Johannes. Schließlich landete er auf der Amerikanistik in Innsbruck und wurde wissenschaftlicher Mitarbeiter. Schwerpunkt: Filmforschung. Das hat dem Filmfan richtig getaugt.

Der Alltag war dann aber doch nicht das Wahre – zumindest was die Konferenzen und das wissenschaftliche Publizieren betrifft. „Ich hab gedacht, du tust, was zu tun ist,“ meint Johannes. Keine gute Basis für ein Leben als Forscher, wie er bald feststellen musste. „Die Habil hätte ich nur geschrieben, weil es der nächste Schritt gewesen wäre – das wollte ich nicht mehr.“ Abgesehen davon knisterte es schon länger im universitären Gebälk. Unstimmigkeiten bei einer Veröffentlichung haben Johannes seine Akademiker-Karriere endgültig ad acta legen lassen.

Darum ist er heute froh, auch wenn er die Kurse mit seinen Studierenden vermisst. „Sonst wäre alles weiter so dahingeplätschert. Das hat mir gezeigt, dass man kämpfen muss für das, was man will.“ Immerhin: Not macht ja bekanntlich (selbst)erfinderisch:

„Da geht also deine Karriere flöten und grad ist dein zweites Kind auf die Welt gekommen, hab ich gedacht: Entweder mach ich mit 35 jetzt endlich, was für mich wichtig ist oder das war`s.“

Johannes entscheidet sich für Ersteres. Warum nicht die Hobbies zum Beruf machen? Schon als Kind war er ständig am Zeichnen. „Meine Kindergärtnerin hat sogar meinen gemalten Fisch ans Südtiroler Wochenmagazin FF geschickt,“ schmunzelt er. „und irgendwie waren später auch meine Mitschriften immer Bilder.“ Das Schreiben kam dann noch hinzu.

(c) Johannes Mahlknecht

Der nächste Schritt war also klar: ab ins Verlagswesen. Soviel zur Theorie. „Brutal zache G`schicht,“ kommentiert Johannes den praktischen Versuch. „Ich geh da raus und da tut sich ein Universum auf, von dem ich keine Ahnung hab.“ Er nippt nachdenklich an seinem Getränk: „Ich war immerhin neun Jahre in einem Mikrokosmos, wo man gut behütet war.“ Doch der Doktortitel bringe am Markt keinen Vorteil. Wie man ein Buch herausgibt, geschweige denn verkauft, davon habe er keine Ahnung gehabt. Kurzum:  It`s a jungle out there, wie`s in einem Song treffend heißt.

„Ich hab Manuskripte in alle Richtungen geschickt. Man hört ja immer, dass Rowling oder Schneider von 19 Verlagen oder so abgelehnt worden seien, bis sie es geschafft haben. Absolute Amateure: Mich haben 50 abgelehnt. Ich weiß was es heißt, abzublitzen,“ grinst Johannes. Andererseits – das muss er einräumen – ohne Verlagserfahrung und als Familienvater fährt es sich halt auch nicht mehr so leicht quer durch Europa, auf der Suche nach dem neuen Traumjob.

„Aber ich bin Optimist, je mehr ich was auf die Fresse krieg, desto optimistischer wach ich morgens auf. Ich muss mich in dieser Sache beweisen und wenn ich Misserfolg hab, muss ich mehr kämpfen: Das ist Leben, alles andere ist vegetieren.“

Mit Biss zur Bühne

Johannes bleibt hartnäckig. Mit derselben Beharrlichkeit, mit der er – seinen Eltern zuliebe – zehn Jahre lang Querflötenunterricht ertragen hat, startet er sein eigenes Ding: Er publiziert seinen Gedichtband „Nicht nur Nonsens“ in Eigenregie über Amazon und schafft es mit seinen humorigen Texten wiederholt zu Kratky in die Ö3-Sendung.

Hörbeispiel: Das Wespennest Ö3 Wecker Kratky

Bald erhält er auch sein erstes Engagement als Blog-Reporter, schreibt an seinem ersten Kinderbuch samt Illustrationen und stürzt sich in die Kabarett-Branche, denn er weiß: Bühne ist seins – und witzig sein auch. „Für mich ist Humor der Schlüssel, um die Schwierigkeiten der Welt meistern zu können,“ erklärt Johannes, „wenn die Leute lachen, bin ich happy und es waren beim ersten Auftritt so viele Lacher, dass ich die Möglichkeit sehe, mich weiter zu verbessern.“

Kurzer Ausschnitt aus dem Kabarett-Programm – „Erziehung“

Auf der Bühne kombiniert der angehende Kabarettist seine Bilder mit seinen Texten, spickt sie mit Pointen, lässt Alltag und Vergangenheit neu aufleben und entwickelt daraus seinen eigenen Stil. Das gilt auch für seine Plakate und Buchcover, die er selbst designt.

(c) Johannes Mahlknecht

Beständig zum Ziel mit Arnie und Schildkröten

Schildkröten, aber auch Krabben sind bei Johannes allgegenwärtige Motive. Das wundert mich – warum nur? „Schildkröten sind für ihre Langsamkeit bekannt,“ sagt er. Erstaunliche Antwort für jemanden, der in seiner Freizeit Ultramarathons am Berg läuft, wo es eigentlich auch um Bestzeiten geht. „Der längste Marathon, den ich je gelaufen bin, war 52 km. Es geht mir nicht darum wie lange ich brauche, sondern darum nicht stehen zu bleiben.“ Manchmal ist aber auch Stehenbleiben sinnvoll. Das weiß Johannes heute, nachdem er 2017 mit einer Herzmuskelentzündung in der Klinik gelandet war:

„Der Geist gewinnt, aber das letzte Wort hat der Körper und der zieht den Stecker, wenn`s ihm reicht. Der Puls ging von 110 rauf auf 160 ohne, dass ich was gemacht hab. Bam. Da dachte ich schon, das war`s – da sterbe ich jetzt.“

Nun geht er`s etwas langsamer an, aber nicht weniger sportlich. Körperliche Leistungsfähigkeit hat ihn immer schon fasziniert. Das kann er jetzt auch für die Ausdauer auf der Bühne gut brauchen. Mit 12 habe er nämlich nicht nur Schildkröten gemalt, wenn ihm langweilig war, sondern auch Arnold Schwarzeneggers. Der sei immer noch sein Held. „Ich steh‘ auf Männer mit Muskeln — meine Frau kann damit umgehen,“ schmunzelt Johannes und erklärt: „Schwarzenegger arbeitet an sich, setzt sich was in den Kopf, macht`s und wird’s. Der wird Bodybuilder, dann Schauspieler, dann Gouverneur.“ Eine bewundernswerte Zielstrebigkeit – und er habe seine Filme einfach geliebt. „Meine Helden sind Arnold Schwarzenegger und Gandhi – aber Schwarzenegger ist die Nummer 1.“

Queens im Gepäck und Krimi am Start

Daher kommt wohl der Biss. Er rührt aber auch von der großen Unterstützung her, die der mittlerweile 38-Jährige von vielen Seiten erhält. Da wären seine Familie, die es oft nicht so leicht mit ihm habe, aber auch seine Kollegen und Freunde bei Innsbruck University Innovations. Dort hat Johannes momentan sein zweites Job-Standbein und kann auf motivierte Partner für seine Projekte zählen – einer davon begleitet ihn auch mit der Band The Harlequeens musikalisch bei seinen Auftritten.

(c) Johannes Mahlknecht

Zur Zeit läuft es gut. Das Kinderbuch soll dieses Jahr fertiggestellt werden und eine Ultra-Laufsport-Krimikomödie ist ebenfalls schon in Arbeit. Bis die Bücher fertig sind, will Johannes seinen eigenen Verlag gegründet haben – „der Gedanke weitere 50 Mal bei Verlagen abzublitzen thrillt mich eher weniger“. Einstweilen stellt er seine Bilder aus und bringt sein Publikum weiter zum Lachen. Das Ziel:

„Mit dem was ich mache, genauso viel verdienen wie ich als Akademiker verdienen könnte, wenn ich die Karriere weitergemacht hätte plus einen Euro im Monat [lacht]. Dann kann ich auch daheim sagen, es war in Ordnung, dass ich die akademische Schiene verlassen habe – ich bin jetzt glücklicher.“

Doch drei Fragen gilt es noch zu beantworten:

1.) Wann hast du das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?

Ich bin kürzlich zum ersten Mal mit Band aufgetreten.

2.) Einmal und nie wieder?

Akademiker sein.

3.) Wenn du eine Sache ändern könntest, was wäre das wohl?

Ich habe gelernt: Man soll niemals versuchen die Vergangenheit zu verändern, auch wenn was schief gelaufen ist. Man weiß nie, wozu es denn gut war – also keine Reue. Wenn ich mit dem, was ich jetzt mache, Vollgas gebe, dann ist alles in Ordnung.

 

Link: Homepage Johannes Mahlknecht

 

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