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Warum Innsbruck seine Studierenden braucht

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Die Ferien sind zu Ende und die Studierenden drängt es zurück in Innsbrucker’sche Gefilde – zum Leidwesen so mancher Stadtbe- wohner, denn mit der Sommerruhe ist es jetzt vorbei. Aber was wäre Innsbruck eigentlich ohne seine Studenten? Wäre es nur ein Partypeople freier Ort oder würde Tirols Kapitale doch mehr einbüßen?

Ende des Highlife, stattdessen zwei Monate lang studentisch-urbane Ebbe, daran kann man sich als Bewohner gewöhnen: Kein Gedränge auf der Innmauer, kein Platzmangel im Hofgarten oder in der Bibliothek  und weniger Nachteulen. Gelegenheit für so manchen Innsbrucker Anrainer seine Stadt wenigstens für den Sommer zurückzuerobern und die Ruhe zu genießen – sofern nicht wohnhaft in der Altstadt, die ihren Lärmpegel ganzjährig höchstens an Sonntagabenden etwas drosselt. Gegröle hat dort immer Saison. Doch kaum ist Mitte September vorbei, schraubt sich die Akustik trotzdem noch eine Stufe höher – kein Wunder, erhält Innsbruck nun zitzerlweise bis Oktober Zuwachs im Ausmaß einer Kleinstadt.  Ein Großteil der 30.000 Studierenden, davon ca. 28.000 allein von der Uni Innsbruck, fluten zurück in ihre WG’s oder Heimzimmer und stellen ab da wieder rund 21 % der Innsbrucker Bevölkerung dar.

Tatsächlich ist die Lärmbelästigung durch die (studentischen) Nachtschwärmer nicht der einzige Dorn im Auge vieler Anrainer – obgleich wohl der mit den direktesten Folgen (siehe Lokalschließungen z.B. Weekender). Auch die Wohngemeinschaften erregen Ärgernis: Die große Wohnungsnachfrage vonseiten der Studierenden übersteigt derzeit das Angebot und treibt vor allem die Mietpreise  weiter in die Höhe. Wäre die Stadt ohne Studierende also besser dran? Wo wäre Innsbruck ohne seine Uni und Hochschulen?

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Gute Luft und wenig Zerstreuung

Um das zu beantworten, lohnt ein kurzer Blick zurück. Seit der Jahrgang 1669/1670 in Innsbruck erstmals Uniluft schnuppern durfte (übrigens rein philosophische, denn mehr Fakultäten gab es zunächst nicht), hat sich einiges verändert. 1780 wurde Innsbruck noch als eine Universitätsstadt mit „guter Luft und wenig Gelegenheit zur Zerstreuung“ angepriesen – das betrachtete man dazumal  noch als Vorteil. 1960 dürften die mittlerweile 4.300 Studierende aber schon auf wesentlich mehr „Zerstreuung“ gestoßen sein. Denn mit ihrer rasant steigenden Zahl, teilweise in Tausenderschritten pro Jahrgang, wuchs auch die Stadt in jeder Hinsicht – und das tut sie bis heute.

Studentenschaft als Marktkraft

Immerhin gibt es in Innsbruck mehr Studenten berechnet auf die Stadtbevölkerung als in jeder anderen Stadt Österreichs – und das aus über 60 Ländern weltweit: von Österreich, Südtirol und Deutschland bis hin zu Ägypten, Mexiko oder Thailand. Damit stellen die Studenten einen Markt dar, der nicht zu unterschätzen ist. Das Prinzip von Angebot und Nachfrage gilt schließlich auch in der Alpenstadt. Entsprechend vielfältig sind die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung, wovon auch die Innsbrucker profitieren. Ständig wird das Sportangebot erweitert, seien es Mountainbike-Trails, Pisten oder Kletterrouten. Neue Geschäfte mit jungen Labels beleben die Shoppingstraßen.

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Ähnlich dynamisch unterwegs sind auch Kultur- und Nachtleben. Mag sein, Innsbruck ist nicht Wien und doch gibt es kaum einen Tag, wo nicht Theatervorstellungen, Poetry Slams, Festivals, Konzerte, Märkte, Lesungen oder sonstige Veranstaltungen stattfinden – selbst wenn beim Nachtleben in den letzten Jahren spürbar Abstriche gemacht wurden. Abgesehen davon würden ohne Studierende auch Orte wie der Botanische Garten, die Länderzentren oder Events wie „Innsbruck liest“ (10.000 Gratis-Bücher!) nicht existieren, ganz zu schweigen vom breiten gastronomischen Angebot.

Beteiligt in Betrieben und Bars

Wie groß der Einfluss der Studentenschaft auf die Gastronomie in Innsbruck ist, kann Thomas Geiger von der WKO bestätigen: „Das Angebot wird dem Markt angepasst, sprich auch der Zielgruppe Studenten. Das Wachstum läuft also durchaus parallel zum Anstieg der Studierenden.“ Dabei sind diese nicht nur als Konsumenten wichtig, sondern spielen auch eine erhebliche Rolle als Mitarbeiter, weiß Geiger, „vom Hotelbetrieb bis zur Bar.“ Außerdem entstünden durch gastronomische Projekte von Studenten laufend neue Unternehmen.

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Das 2015 eröffnete Lokal Machete ist der beste Beweis dafür. „Der Gedanke dabei war, einen Ort zu schaffen, welchen wir in Zeiten unseres Studiums vermisst haben: qualitativ hochwertiges Essen und Getränke zu fairen Preisen in Wohnzimmeratmosphäre,“ erklärt Gründungsmitglied und Geschäftsinhaber Johannes Steinkopff. „Das Projekt hatte von Anfang an einen unglaublich familiären Charakter, da es gemeinsam mit nahezu dem kompletten Freundeskreis und ehemaligen Kommilitonen realisiert wurde.“ Langfristig habe man damals aber noch nicht geplant. Heute ist das gastronomische „Wohnzimmer“ kaum mehr aus der Anichstraße wegzudenken und hat mit dem Kater Noster in der Leopoldstraße sogar erfolgreichen Zuwachs bekommen.

Eine Milliarde Kaufkraft versammelt in Studentenwohnungen

Ohne Studierende gebe es in Innsbruck ein Markt- und Arbeitskräfteproblem, ist Geiger überzeugt. Immerhin beläuft sich ihre Wertschöpfung auf über eine Milliarde Euro pro Jahr, wie Landesrätin Beate Palfrader bestätigt. Da spielt wohl auch der Punkt Wohnen hinein: kaum ein ungenutzter Quadratmeter, mag er auch noch so schäbig sein, der nicht (teuer) an Studenten vermietet würde. Die Vermieter profitieren davon, zumal Studenten oft nur auf Zeit mieten und die Preise durch die enorme Nachfrage in die Höhe treiben. Junge Familien schauen dabei meist durch die Finger – das ist letztlich das Problem, weiß Stefan Garbislander von der WKO.  Ein Lösungsansatz sei, die Bedingungen für Studierende in den Heimen zu verbessern und zwei neue zu bauen. Ähnlich tönt es aus dem Büro der Landesrätin. Laut Palfrader soll in den nächsten Jahren ein neuer Uni-Campus für studentisches Wohnen in Innsbruck entstehen.

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Positiver Saldo für Innsbruck als Studentenstadt

Trotz der Herausforderungen ist man froh um die Studenten. „Die regionale Wirtschaft profitiert deutlich durch sie,“ betont Garbislander. Sie verschaffen der Stadt internationales Flair, das weit über touristische Ambitionen hinaus nutzbar ist. „Wir beobachten, dass sich immer häufiger Studierende aus dem Ausland in Innsbruck niederlassen und ein eigenes Unternehmen gründen, vor allem im Bereich Unternehmensberatung oder Werbung/Marketing.“ Davon profitiere der gesamte Wirtschaftsstandort. Immerhin zieht das akademische Umfeld auch Investoren an. Wissenschaft und Technologie stehen dadurch in intensivem Austausch, woran die Studierenden ihren Anteil haben. „Unterm Strich ergibt sich daraus ein recht positiver „Saldo“ für Innsbruck als Studentenstadt,“ meint Garbislander.

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Für Rektor Tilmann Märk ist Innsbruck ohne Universität nur schwer vorstellbar. Sie wirke wie ein Jungbrunnen. Ständig kommen neue Strömungen und Ideen nach. „Nicht zuletzt deshalb versuchen andernorts vergleichbare Gemeinden mit sehr viel Aufwand, ein eigener Universitätsstandort zu werden,“ weiß Märk. Immerhin sitzen die Studierenden längst nicht mehr in einem „Elfenbeinturm“, sondern tragen aktiv zu Gesellschaft, Wirtschaft und Entwicklung bei. Ohne Studenten und ihre Bildungseinrichtungen „hätte sich Innsbruck in den vergangenen knapp 350 Jahren wohl völlig anders entwickelt“, ist Märk überzeugt. „Es gäbe deutlich weniger hochqualifizierte Arbeitsplätze, die Stadt wäre wohl kleiner und damit gäbe es auch weniger Angebote.“

Eine Ahnung davon, wie sich Innsbruck ohne Studenten anfühlen würde, vermittelt die „Ebbe“ der Sommermonate – eine, bei aller Stille, doch relativ fade Angelegenheit. Umso beruhigender ist es, dass sich jetzt im Herbst Innmauer, Bibliothek oder Hofgarten wieder zuverlässig füllen werden und somit erneut Highlife herrscht, in Innsbruck Stadt.

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