unkreativ

Chronist des queeren Alltags – ein Interview mit Sam Vance-Law

(c) J. Konrad Schmidt(c) J. Konrad Schmidt

Mit seinem aktuellen Album „Homotopia“ zeichnet der kanadische Musiker Sam Vance-Law Bilder aus dem alltäglichen homosexuellen Leben. Von der Musikszene Edmontons verschlug es ihn vor ein paar Jahren durch Zufall nach Berlin, wo er vor kurzem ein außergewöhnliches Album veröffentlichte, das ihn in ganz Deutschland bekannt gemacht hat. Wir haben mit Sam Vance-Law telefoniert und über seine Arbeit, ein neues Heartbreak-Album und Homophobie im Alltag gesprochen. 

Dein Debutalbum erzählt Geschichten vom queeren Alltag, von Träumen, Fantasien und Utopien. Siehst du dich als ein Chronist oder als ein Utopist?

Ich würde sagen, dass ich kein Visionär bin, aber Chronist kommt dem ziemlich nahe. Ich denke, dass sich die queere Szene und der Alltag schnell verändern. Diese Dinge in Worte, in Narrative, in Songs zu fassen ist eine Art, einen kurzen Moment im schwulen Leben zu erfassen, zumindest in der westlichen Welt.

(c) J. Konrad Schmidt
(c) J. Konrad Schmidt

Manche deiner Songs (wie Narcissus 2.0) scheinen sich um Narzissmus, um eine narzisstische Einstellung zu drehen. Gibt es so etwas wie eine gesunde Selbstverliebtheit?

Für mich persönlich war der Song als ich ihn geschrieben habe, ein Liebeslied. Ich spielte mit Freuds Idee der Homosexualität als psychische Krankheit, die auf Narzissmus basiert. Ich dachte, es wäre lustig, einen Song zu schreiben, in dem jemand sagt „Yes, I would sleep with myself“, aber nur, wenn ich du wäre, was bedeutet: Ja, ich würde mit mir selbst schlafen, aber nur, wenn ich eine komplett andere Person wäre. Also um deine Frage über gesunden Narzissmus zu beantworten: Man sagt immer, man sollte sich selbst lieben, bevor man jemand anderen lieben kann. Ich glaube, das ist „gesunder Narzissmus“.

Dein Album ist für mich teilweise von einem bitteren, selbstironischen Humor bestimmt. Wie wichtig ist Humor in deiner Arbeit und im Leben?

Ich lache gerne, Humor ist in meinem Leben sehr wichtig. In meiner Arbeit ist er wichtig, weil Humor fast nie defensiv ist und er normalerweise Leute dazu bringt, sich zu dafür zu öffnen, was auch immer du als nächstes sagst. Es ist ein Weg, Grenzen zu überbrücken. Wenn du über etwas lachen kannst, fängst du wahrscheinlich nicht an, darüber zu streiten.

(c) J. Konrad Schmidt
(c) J. Konrad Schmidt

Homophobie kommt immer noch häufig vor. Bist du selbst damit konfrontiert und was kannst du jungen queeren Menschen darüber sagen?

Ich suche mir aus, mit wem ich beisammen bin, also bin ich nicht so oft in Situationen mit Menschen gezwungen, die homophob sind. Das kann aber an der Universität passieren, in der Schule, wenn Menschen zusammengebracht werden und miteinander auskommen müssen, auch wenn sie sich nicht mögen. Die Sache mit Homophobie ist: Es hat nichts mit dir zu tun. Es mag sich so anfühlen, als ob es das tut, es mag weh tun und sich persönlich anfühlen, aber homophobe Menschen versuchen mit etwas klarzukommen, mit dem sie Probleme haben. Also macht euch keine Sorgen, denn es geht eigentlich nicht um euch.

Du stammst eigentlich aus Kanada, wo du mit Musikern wie Mac DeMarco abhingst, und gingst dann nach Berlin. Wie ist es dazu gekommen?

Eigentlich bin ich aus Zufall hier. Ich kam nur zu Besuch und blieb. So ist das passiert. Mac (DeMarco) hatte Edmonton verlassen. Er zog nach Vancouver und als ich ging, war Sean (Nicholas) Savage in Montreal. Die Edmonton music scene war bereits in bisschen gesplittet, also war es nicht allzu verrückt als ich auch umzog. Jetzt lebt Mac in L.A., Sean ist oft in Berlin und ich sehe sie ab und zu. Die Szene, in der ich war, brach sowieso gerade auf und ging in verschiedene Richtungen, also schien es wie ein natürlicher Schritt, etwas Neues zu versuchen.

(c) J. Konrad Schmidt
(c) J. Konrad Schmidt

Fühlst du dich als Künstler in Europa anders als wenn du zum Beispiel in L. A. wärst?

Nicht wirklich. Die Sache mit Berlin ist, dass es mir den Platz und die Zeit gegeben hat, genau das Album zu schreiben, das ich wollte. In Kanada hätte ich einen Job haben müssen, aber in Berlin funktioniert es, Musiker zu sein.

Du gehst im Herbst auf Tour. Was sind deine Pläne danach? Planst du ein neues Album?

Ich arbeite bereits an einem neuen Album. Ich habe die Hälfte davon schon geschrieben. Und mit geschrieben meine ich nur den Song, wir müssen noch arrangieren und Demos aufnehmen, es könnte eine Weile dauern.

Kannst du bereits sagen wie das neue Album klingen wird?

Oh, es wird traurig werden, Mann. Es ist ein trauriges Heartbreak-Album. Jeder wird weinen, es wird großartig!

Leave a Response