Meistens sind es Vögel, heute war es ein Muezzin der sein Gebet ausrief.
Hin & wieder ist es tatsächlich das Brechen der Wellen an den Felsen und einmal war es ein deutscher Tourist der laut „Scheisse!“ rief als er eine Kakerlake entdeckt hatte. Meine Wecker sind vielfältig, aber jeder einzelne ist mir lieber als der iPhone Ton, den ich alltäglich ca. 15 Mal weiter drücke, bevor ich mich aus dem Bett quäle. Einmal raus aus Allem. Ein beliebter Facebook Post ist ein Zitat von Harald Juhnke, der wohl mal gesagt hat: „Meine Definition von Glück? Keine Termine und leicht einen sitzen.“
Ich muss sagen, ich kann ihm nicht widersprechen, wobei zweites im Paradies nicht allzu nötig erscheint. Fern von meinem Alltag ist mein einziger Termin, der zur Thai-Massage und selbst das ist äußerst variabel („Okay, miiiiiss. Yes, anytime miiiiiss“). Es ist tatsächlich ziemlich erfrischend einmal komplett auszusteigen und von außen auf sein Leben zu blicken. Als wir hier angekommen waren und Bangkok, die Stadt ohne Rücksicht auf Verluste, erst mal hinter uns gelassen hatten, wurde nur noch geschlafen. Die größte Anstrengung des Tages war der Wechsel vom Hüttchen zum Strand, um da entspannt weiter zu dösen. Ein iced coffee hier, ein bisschen schmökern im Kindl da, Pad Thai, ein Feierabendbier und sunset watching. Keine Außenkontakte, sondern einfach nur RUHE.
Das Erschreckende daran: es dauerte eine ganze Weile bis die Ruhe bei mir ankam – ich war es nicht gewöhnt wirklich NICHTS zu machen. Zuhause packe ich meine Freizeit voll: Freunde, Familie, Haushalt, Shopping – es gibt immer ein dutzend Erledigungen und Dinge die ich nun aber wirklich machen muss. Und selbst wenn ich mal nur rumliege, berieselt mich dabei der Fernseher, das Internet oder ich versuche mir krampfhaft Gedanken zu machen, was ich mit meinem Leben anstellen soll. Entspannung ist anders, aber das kapier ich erst jetzt. Denn je ruhiger ich werde, desto klarer kann ich auf mein Leben blicken. Wenn man auf Koh Tao am Strand liegt, gibt es keinen äußeren Einfluss. Keine Gesellschaft, Eltern, Lehrer, Freunde, die alle wissen was gut für einen ist. Keine Menschen mit Erwartungen, denn mit den Reisenden die man trifft teilt man fast immer dieselbe Geschichte: Job gekündigt, Sachen verkauft, Rucksack gepackt.
Der Grund ist fast immer der Gleiche: Man hat alles und ist trotzdem nicht glücklich. Und man weiß, dass da draußen irgendwo noch mehr auf einen wartet, auch wenn man fast nie weiß was dieses „Mehr“ eigentlich ist.
In meinem Fall bedeutet mehr gerade weniger. Denn je weniger Gedanken ich mir mache, desto mehr scheinen sie einfach wie aus dem Nichts aufzupoppen: klar, eindeutig und so lächerlich logisch, dass man sich fast ein bisschen dumm fühlt dabei. Der erste Berufswunsch, den ich als Kind geäußert habe, war Autorin. Das war bevor mir beigebracht wurde was „brotlos“ bedeutet.
You can’t find truth outside yourself,
hat Emerson gesagt, und das ist schon ganz schön lange her. Emerson – meinen Lieblingsphilosophen – hab ich übrigens während meines Studiums kennen gelernt. Wir sind uns in einem Seminar über American Cultural Studies begegnet, was ein Teil meines Studiums war, das ich als solches eine ganze Weile als äußerst sinnlos erachtet hab. Und doch lassen sich die Punkte im Nachhinein verbinden – wenn man sich die Zeit nimmt von Außen einen Blick drauf zu werfen
Hätte ich nicht… Dann wäre ich nicht…
Mit Sicherheit jedenfalls nicht hier am Strand auf Koh Tao. Was ich damit sagen will, oder die Moral von der Geschichte: Es gelingt mir hier mit jedem Tag ein bisschen mehr tatsächlich im Jetzt zu leben. Und je mehr ich meinen Kopf ausschalte und mich auf die Dinge konzentriere, die ich gerade eben erlebe, desto weniger Angst macht mir die Zukunft.