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Jubeltag

Fiorettis Tagebuch - Teil 4

(c) Jeremy Wong(c) Jeremy Wong

Der Tag, an dem unsere Nation in all ihrer Pracht präsentiert wird, stimuliert mehr den Magen als den Kopf.

von Fabian Fioretti

Woran erkennt man einen besonders schönen Tag? Ganz klar: man darf schon vor Mittag Bier trinken. Einer der schönsten Tage im Jahr ist mit Sicherheit der Nationalfeiertag. Hier vereinen sich die Proletarier aller Dörfer und Städte auf dem hässlichsten Platz der Stadt und feiern, staunen, essen und trinken im Einklang und Takt strammer Marschmusik. Es ist ein Bild, bei dem einem warm ums Herz wird. Kleine Kinder dürfen Panzer einmal von innen sehen und die Waffen bewundern, mit denen die tapferen Soldaten – die „Peacekeepers“, wie auf den hellblauen Luftballons rings umher steht – den Frieden bewahren. Sondereinheiten demonstrieren, was bösen Menschen in Österreich blüht: Da fliegen Glasscheiben ein, da werden Hunde losgehetzt, die sich an Armen festbeißen, da wird auf den Boden gepinnt, dass es nur so kracht. Die Menge jubelt – hurra! Brot und Spiele! Einfach herrlich.

Mittlerweile donnern Militärflugzeuge über die Menge hinweg, ein paar Besucher schauen ihnen nach. Im Landhaus stehen an jenem Tag die Türen besonders weit offen, und man wundert sich, wie lustig es dort drinnen zugeht. Überall Menschen, Schüsseln mit Knabbergebäck, mit denen man sich schon im Herbst die aktuellsten Viren der Saison einfangen kann und Luftballons (Gnade Gott demjenigen, der zahlreichen losgelassenen Ballons am nächsten Tag wieder herunterholen darf).

Ja, es ist so toll hier, also toll im Sinne der im Duden an zweiter („tollwütig“) und dritter („sich aufgrund einer Psychose auffällig benehmend“) Stelle angeführten Bedeutung. Toll ist zum Beispiel, dass die Büros der Grünen und der FPÖ direkt gegenüber liegen. Man stelle sich vor, was da bloß im gemeinsamen Kaffeeraum abgehen muss: Ein Bild – nicht von fliegenden, sondern geworfenen Untertassen, die strenge Trennung von Fleischkas und Couscouskochnische, brauner und weißer Zucker beim Automaten (obwohl die Blauen eher zu letzterem greifen, seltsam…). Kurzum scheint es ein Ort zu sein, an dem man bestimmte Trinker eines kleinen Braunen auch als Kannibalisten bezeichnen könnte und sich überzeugte Linke als Veget-Arier bezeichnen. What the fuck.

Das Highlight ist ein fürstlich anmutendes Zimmer. Vor den royalen Räumlichkeiten drängen sich die Menschen, um ein Familienfoto mit dem Landespapa zu machen. Auch wenn die anderen Bundesländer in fast schon biblischem Ausmaß ihren Landesvätern gegenüber undankbar und untreu waren, sind es die Tiroler nicht. In den Vorzimmern, man könnte sagen in den Sakristeien des Audienzzimmers, liegt die neue Feuerzeug- und Kulikollektion auf. Tirol ist bei jedem Trend vorne dabei. Deswegen schreiben die Kulis hier blau. Vielleicht war Türkis ja auch alle, oder es ist noch nicht Zeit für einen neuen Stil in Sachen Schreibgeräte.

(c) Tako Van Midwoud
(c) Tako Van Midwoud

Draußen scheint immer noch die Sonne. Gott hat uns einfach lieb. Unter den Augen des schwarzen Adlers, der auf dem großen Denkmal über allen thront, tummelt sich die Plebs: glücklich, leicht beschwipst, gut gefüttert und blendend unterhalten. Eigentlich ist doch alles perfekt. Und Mitten unter den Militärfahrzeugen und Blasmusikkapellen und Uniformen und fröhlichen Menschen, umweht vom Geruch nach Bier und Bratfett, abgekapselt von all dem Elend und den grausigen Dingen, die so passieren jenseits des Kranzes von Bergen, stolz und hoh erhoben, fragt man sich: Gibt es etwas besseres, als Österreicher zu sein?

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