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10 Jahre Wiesenrock – Teil 2: Lola war die Beste

Tag zwei in Wattens entführt uns auf einen Hipster-Catwalk und in aufregende Klangwelten.

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Der letzte Tag des Wiesenrock Festivals sorgt für Überraschungen und eingetroffene Erwartungen. Ein Konzertbericht und eine Milieustudie.

Selbst wenn man nicht einmal den Kopf gehoben hatte, merkte man, dass das Wetter am gestrigen Abend besser war. Am Freitag stapften gepunktete Gummistiefel oder Salomon Halbbergschuhe (ein Symbol für Komfort, Wanderlust, ein solides Grundeinkommen und mindestens zwei Packungen Quinoa in der Küchenschublade) über den zunehmend verschlammenden Schulinnenhof.  Gemanbunnte (Man-Bun, verstehen Sie? Und ja, den kann man in Wattens anscheinend immer noch tragen) Mittvierziger, die ihre Jack-Wolfskin-Jacken mit Stolz trugen, triumphierten mit ihren funktionstüchtigen Outfits in Kälte und Regen und sparten sich ihre Globuli für die nächste Grippewelle auf.

Gestern hingegen war der Tag der Hipster. Lebende Levis-Kollektionen mit Baskenmützen on Top verwurzelten ihre Chelsea-Boots im nassen Boden und genossen, dass kein Regen fiel. Endlich konnte man die Converse auspacken und den Turnsack mit lässigem Spruch in noch lässigerer Manier von einer Schulter baumeln lassen. Mindestens genauso wichtig wie der Style waren die Bands des gestrigen Abends. Die Innsbrucker Band Lilla eröffnete den letzten Abend im Schulhof mit einem kraftvollen Auftritt mit hallender, echoender, an The XX erinnernde Gitarre und einer starken Stimme. Yalta Club folgte sogleich und langweilte bereits nach dem dritten Song.

Nicht, dass die Songs schlecht waren, dennoch hörte man sich an der immer gleich klingenden Kombination aus Gitarrengeklimper und Keyboard gepaart mit einem eigenwilligen Drumset recht schnell ab. Zeitweise schienen zu viele Musiker auf der Bühne zu sein, weshalb es der Sänger so hielt, dass er, wenn er nichts zu tun hatte, starr hinter die Menge blickte, als ob ihm gerade eingefallen wäre, dass das Bügeleisen daheim in Paris noch immer an ist. Als sich Yalta Club nach einer langen Stunde verabschiedete, krachte es im hinteren Eck‘. Dort stand eine zweite Bühne, auf der zwischen den einzelnen Sets auf der Hauptbühne ausgewählte Gäste der Bäckerei Open Mic Sessions eine begrenzte Spielzeit hatten. Drei Herren mit dem klingendem Namen Jazz Titty weckten Männer mit Bier und Ziegenbart aus dem Indie-Pop-Gedudel. Der Sänger und Gitarrist der Gruppe entlockte seiner Gretsch punkigen Bluesrock, der an The White Stripes oder an The Stooges erinnerte und sang dazu wie Elias Bender Rønnenfelt von der Band Iceage ohne Schreikrampf. Einige Künstler auf der kleinen Bühne hätten mehr Aufmerksamkeit und Spielzeit verdient, aber Moment, was war das?

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Es hört sich an wie Mumford and Sons. Es sieht aus wie Mumford Sons. Es ist Mainfelt, der Südtiroler Abklatsch von Mumford and Sons. Eine volle Stunde lang machte man einfach keinen Hehl daraus, dass man so klang wie die coolste Mucke aus the UK vor fünf Jahren, doch es wurde Stimmung gemacht, was die restliche Musik auf dem Festival nur begrenzt meisterte. Hätte das Konzert nach der israelischen Band Lola Marsh geendet, wäre alles perfekt gewesen. Sängerin Yael Shoshana Cohen und Gitarrist Gil Landau spielten mit Band und klangen, wie man klingen will: Sanft dahinschwebender Synthie-Pop gemischt mit Ukulele, Pfeif- und Klatschnummern, die genau treffen, was der Alternative-Mainstream heutzutage zu bieten hat. Ein bisschen Lana del Rey, ein bisschen Vance Joy oder Of Monsters and Men; mal düsterer Twin-Peaks-Soundtrack, mal schwungvolle Aus-dem-Bett-und-Schmetterlinge-Fangen-Nummern à la Leslie Feist. Lola Marsh boten eine tolle Performance und stimmige Songs.

Der Auftritt von Garish hätte auch gerne schon am Nachmittag sein können. Einschläfernde Nummern „abseits des musikalischen „Mainstreams““, wie es so schön im Wikipedia-Artikel steht, brachte um halb elf nicht mehr viele zum Tanzen.

Die Veranstalter des Wiesenrock haben sich wirklich Mühe gegeben; jedes Detail, jeder Papier-Schmetterling, der von der kleinen Bühne baumelte, schien liebevoll selbst gemacht zu sein. Was das Wiesenrock ausmacht, ist nicht nur die für so ein kleines Festival grandios ausgewählte Musik, sondern die Leute – oder wie einer der Wachmänner, neben dessen Posten sich der Rezensent gegen Ende des Konzertes kurz ausgeruht hatte, erklärte: „Des sein die Kiffer, de sein oanfach gmiatlicher.“

 

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