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Kein Kaffee für und mit M20 oder: Ein Lob auf die Vernunft der Innsbrucker Frauen

Die App Jodel und ihre Datetauglichkeit

Liebe, Dating, Online, Jodel, Beziehung, Dilemma(c) James Sutton

Es war kalt und matschig in Innsbruck, ein klassischer Jänner eben.

In dieser dunklen Zeit kam einer Kollegin und mir die Idee, Kaffee trinken zu gehen. Mit Fremden. Unter gegenseitiger Beobachtung. Im tiefsten Inneren unserer Seelen wollten wir es immer schon einmal tun. Ich spreche von einem der großen Mysterien des Innsbrucker Studentenlebens:

dem Jodel-Date.

Unter dem Vorwand des investigativen Journalismus setzte jeder von uns eines Samstages einen Post ab. Ob aus einfacher Unbedachtsamkeit, Anbiederung in die Jodlersprache oder Gefühlskälte – ich weiß es nicht mehr – schrieb ich also folgenden Jodel:

„Welche w möchte mit mir morgen einen Kaffee trinken gehen?“

Zur kurzen Erklärung für all jene, die mit Jodel nicht viel zu tun haben: diese App wird vor allem von Studenten genutzt und ist komplett anonym.

Jeder Nutzer kann einen kurzen Beitrag erstellen, der für alle anderen „Jodler“ im Umkreis von 10km sichtbar ist. Der Beitrag, Jodel genannt, hat eine Kommentarfunktion, die wie ein Chat funktioniert.

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(c) Joshua K. Jackson

Ich muss gestehen, am wenigsten Ärger hätte ich bei der Abkürzung „w“ erwartet. Immerhin steht w in diesem Zusammenhang für „woman“, im entferntesten Sinne „weiblich“, aber das passt ja nicht. Im ersten Kommentar wies mich jemand darauf hin, ich könnte anstatt der charmanten Abkürzung „w“ doch gleich „Loch“ schreiben. Der nächste Kommentar setzte nach, dass man danach fi(lm gu)cken gehen könnte. Ich wusste, dass diese Aufgabe schwerer war, als ich erwartet hätte. Ich weiß nicht, ob es zwei Damen oder Herren oder überhaupt zwei Personen waren – das ist ja gerade das witzige oder frustrierende an der Jodlerei – aber jedenfalls hatten zwei selbsterklärte Ws Lust, mit mir unter der Bedingung der Bekanntgabe meines Alters Kaffee trinken zu gehen.

Für W22 bzw. 23 war ich zu jung. („Ein Jungspund“ hieß es in dem Kommentar).

Wenig später, nachdem ich mein Erkennungszeichen – eine lachsrosa Tageszeitung auf meinem Tisch – bekanntgegeben hatte, meinte ein oder eine Jodlerin neben meiner politischen Einstellung auch zu wissen, dass ich nicht „Assi TV“ schaue. Ich war erstaunt, stimmte es doch. Manche Leute haben einfach einen Riecher oder wissen, wie man die Jodel-Anonymität knackt. Wer weiß das schon.

Jedenfalls baute sich an dieser Stelle ein nach eigenen Aussagen männlicher Jodler ein, der meinte, ich wäre ein netter Kerl. Das freute mich und so bot ich ihm an, mit mir stattdessen ein Bier trinken zu gehen.

Er reagierte nicht mehr.

Als ich die Hoffnungen schon über Bord geworfen hatte, meldete sich plötzlich eine Chemiestudentin zu Wort, die sich nicht traute. Dazwischen wollte jemand wissen, ob ich denn gut ausschaue – wohlgemerkt die einzige mein Aussehen betreffende Erkundigung. Also hakte ich bei der mutmaßlichen Chemiestudentin ein und bat sie, doch noch zu kommen, was sie schlussendlich

– Trommelwirbel –

nicht tat.

Nein, niemand ließ sich blicken.

Ein Weilchen davor traf ich mit meiner Kollegin im Katzung ein. Ich muss gestehen, ich war gespannt, hielt Ausschau nach Chemiestudentinnen vom Typ graue Maus mit Hornbrille und Laborkittel. Auch keine anderen Männer mit lachsrosa Zeitungen waren anwesend. Zumindest das wäre doch toll gewesen.

Ein ganzes Kaffee voller Single-Männer mit lachsrosa Zeitungen vor sich.

Alle einer unsicheren Chemiestudentin harrend. Nach einer Dreiviertelstunde unter Beobachtung meiner Kollegin musste ich mir eingestehen: Meine Chemiestudentin war wohl ein Paulaner. Etwas Positives kann ich der Sache jedoch abgewinnen. Ich finde es toll, dass keine Frau so blöd war, sich mit einem Wildfremden zum Kaffee zu treffen. Doch für meine Kollegin war das Abenteuer noch nicht beendet.

 

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