w18 fühlt sich wie Barbie oder: gender is still an issue

Die Jodeldateerfahrung aus Frauensicht war deutlich unangenehmer.

Ich, naiv, gutgläubig und für jeden Spaß zu haben, war der festen Überzeugung, dass es doch möglich sein muss, einen einsamen Studenten für ein Treffen zu begeistern. Auf meine Anfrage nach einem interessanten m, der Lust auf einen guten Kaffee hätte, war die erste Reaktion:

„wo teff ma uns, und wie schwer bist?“

Ehrlich gesagt war ich etwas schockiert, dass mein Gewicht die größte Rolle spielen sollte. Es war mir von Anfang an klar, dass die meisten Fragen auf mein Aussehen abzielen würden und meine Interessen oder mein Studiengang kaum von Bedeutung wären. Mit einem „Bist du hübsch?“ hatte ich gerechnet, aber mich auf mein Gewicht zu reduzieren, fand ich doch etwas unsympathisch.

Der Gewichtskommentar wurde auch von anderen Jodlern mit „ich dachte a passables Gesicht genügt zum doagn“ kritisiert, was es aber eindeutig nicht besser machte. Es folgten ein paar sehr perverse Witze, die mich wirklich an dem Verstand unserer Generation zweifeln ließen. 

Unter den ganzen Studenten, die Jodel nutzen, lassen sich sicher auch ein paar zukünftige Politiker, Geschäftsführer und Chefärzte finden. Das war der Moment, in dem ich zu dem Schluss kam, dass ich nicht mit Männern zu tun haben möchte, die diese in einer Weise diskriminierenden Kommentare von sich geben und sei es auch in Anonymität.

Ich war dennoch nicht gewillt aufzugeben und versuchte, so gut es eben ging, alle Fragen zu beantworten, ohne meine Würde komplett zu verlieren. Ob mir das gelang, bezweifle ich noch heute. Zarte Früchte trugen die Bemühungen meines viel zu netten Jodel-Ichs, als ich schließlich doch ein paar ernst klingende Anfragen bekam. Es war unmöglich abzuschätzen, ob fünf verschiedene Personen kommentierten oder nur eine.

Trotz allem war es motivierend, endlich bewegte sich die Sache ein bisschen in die gewollte Richtung. Irgendwie fand ich das ganze ja schon aufregend. Meine Erwartungen stiegen, als ich Treffpunkt und Uhrzeit vereinbarte. Leider waren mein Kollege und ich so schlau, für beide Dates das Katzung anzugeben.

Dieser Fehler wurde uns erst am nächsten Tag bewusst, als wir schlussendlich im Café saßen und auf unsere Verabredungen warteten. Es war ein regnerischer, kalter Nachmittag am Wochenende und die Tische dementsprechend belegt. Zu viele Gäste, gestresste Kellner und schreiende Kinder waren nicht vorteilhaft für unser Experiment. Nachdem bei meinem Kollege weder die Chemiestudentin, noch sonst irgendwer auftauchte und es noch zwei Stunden bis zu meinem Treffen waren, zogen wir einen Standortwechsel vor.

Das Gesicht, das unsere Kellnerin machte, als wir uns ein zweites Mal im Auftrag des Journalismus ins Katzung wagten, sprach mehr als tausend Worte. Normalerweise hätte ich auf der Stelle kehrtgemacht und hätte mir ein anderes Café gesucht. Nur die Hoffnung auf ein echtes Jodel-Date hielt mich davon ab. Ich wartete und wartete und wartete. Meine Laune sank von Minute zu Minute.

Anscheinend antworten die hormongesteuerten Männer schnell einmal von der gemütlichen Couch aus, aber haben zu wenig Energie und Mut, um die anonyme Zone wirklich zu verlassen.

Schlussendlich erklärten wir den Versuch für beendet und Jodel für ungeeignet, um mit Tinder zu konkurrieren.

Man mag Gender Studies für sinnlos erachten und sich vehement gegen das Umschreiben der Bundeshymne aussprechen, doch die ganze Sache zeigte uns vor allem wieder eines:

der Sexismus, der hinter allen Bemühungen in der Anonymität existiert, kann ungeahnte Ausmaße annehmen.

Ich erfuhr die weibliche Rolle in dieser Jodelerfahrung und fühlte mich wie eine Puppe. Es war egal, ob ich dumm oder langweilig wäre, ein schöner Körper reicht als Kompensation. Zumindest für jene Jodler, die an diesem Tag ihre Meinung ungefiltert preisgaben. Jodel mag für die skurrilsten Sexfragen und kuriosesten WG-Erlebnisse den geeigneten Diskussionsraum bieten, aber bitte sucht euch eine andere Community, um ein Date zu vereinbaren.