unerlebt

Schwimmen ist scheiße

Fiorettis Tagebuch - Teil 2, oder - im Ernst, Schwimmen ist wirklich scheiße.

Schwimmen, Sport, Hallenbad, Innsbruck, Gesundheit, Körper(c) Marco Sartori

Von Fabian Fioretti

Sport ist die beliebteste Form der Selbstkasteiung im säkularen Zeitalter. Weil ich mir das Leben nicht härter machen will als unbedingt nötig, gehört es zu meinem wöchentlichen Plan, eine der städtischen Badeanstalten zu frequentieren.

Weil sowohl Kinder als auch alte Leute eine Plage sind, ist die Auswahl an qualifizierten Bädern klein. Mein Schwimmbad ist verhältnismäßig ein Ort des Friedens, des stillen Zusammenhalts. Hierher kommen einsame Wölfe, die das kühle Nass suchen und ihre Ruhe haben wollen; es ist der Diogenes-Club der Schwimmbäder, ein stiller Verein von sich jeglicher Art von lächerlichem Gruppensport verweigernder Renegaten, die ihr Ding alleine durchziehen und sich dabei nicht ansehen. Das Konzept dieses Friedensortes haben auch die meisten verstanden.

Natürlich gibt es hier und da diese Jochen und Jense, die neben dem Medizinstudium fit werden wollen und mit Speedo-Rennhosen und Badekappe eine ganze Bahn okkupieren, um Delfinschwimmen zu lernen.

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(c) Chuttersnap

Und vielleicht sehen sie mit ihren weißen Badekappen und wellenhaften Beinbewegungen auch ein bisschen wie beschädigte Riesenspermien aus, die planlos durch das Becken treiben, aber das ist ja egal. Ich muss ja nicht in ihre Bahn. In die zweite Bahn kann ich heute ausnahmsweise auch nicht, weil da Herta mit dem Tempo eines schwimmenden Ziegelsteins ihre zwanzig Längen abstrampelt. Aber hey, kein Problem.

Am besten nimmt man einfach die dritte Bahn, da ist ein nett aussehender älterer Herr, dem man gleich einmal vorschlagen könnte, die Bahn zu teilen…. Oder… nein, aha schon ist er wieder weg, obwohl er mich genau gesehen hat:

Die Midlife-Crisis-Arschloch-Bahn, oje.

Hier ist also ein geschiedener fünfzigjähriger Wolfgang, der  sich begehrenswert kraulen will und nachholen, was er in 25 tristen Ehejahren versäumt hat. Bahn vier, alles klar. Am Beckenrand steht einer. Groß, muskulös, er schüttelt jeden seiner Oberarme, kreist die Schultern. Jetzt dehnt er sich. Vorsichtig beginne ich, eine Länge zu schwimmen, bis mich eine Kraft einen halben Meter unter Wasser zieht. Als ich wieder bei Bewusstsein bin, merke ich: Es war nur die Bugwelle eines Supersportlers. Bevor er mich ein zweites Mal erwischt, bleibt mir noch die letzte Bahn. Noch ist echt alles okay. Es ist genug Platz für alle da.

In der letzten Bahn trainiert ein Opa mit einer jungen, attraktiven Sportstudentin, die ihm bestimmt Kommandos und Manöver mitteilt, die der Alte mit bestem Wissen und Gewissen ausübt. Also bitte, hier ist die Bahn. Als ich zum zehnten Mal wende, höre ich, wie Trainerin und alter Zögling miteinander reden. „Wie der?“ „Ja, genau, die Arme…“ Mit aller Kraft stoße ich mich los. Ja, meine Arme, meine Tempi, stark und ästhetisch, ich weiß, ich bin kein David, aber fast eine dieser Darstellungen des Gottes Neptun mit einem leichten Bauch und Dreizack, schwebend. Wie ein Gewinner tauche ich neben den beiden auf und halte mich lässig am Beckenrand fest. Ich nicke den beiden zu.

„Also, Herbert, nit so wie er da, sondern Arme nach vorn, ge? Weit ausstrecken, und geht scho, hopp.“

Der Alte stößt sich ab und ich blicke die Frau fassungslos an. Ich gehe duschen, immerhin war ich ja im Wasser. Mensch, nicht so schlimm, es gibt solche und solche Tage, wenigstens eine warme Dusche.

Im Waschraum stehen Jochen und Jens nackt da und duschen.Ich habe Angst vor nackten Menschen, bin so eher das Nachtschattengewächs unter den Blumenkindern. Widerwillig gehe ich in eine der Kabinen am hinteren Eck, die riechen, als hätte der eine oder andere nicht nur Schmutzwasser in den Gulli gelassen.

Angeekelt und schmutziger als zuvor will ich in die Umkleide, als Supersportler Jens und Jochen Tipps beim Kraulen gibt, natürlich auch nackt, und partout nicht aus dem Weg geht. „Entschuldigung, darf ich“, frage ich, und schreite mit ungutem Gefühl hindurch. Mitten auf dem Umkleidegang steht die alte Herta auch noch barbusig vor mir, ich entschuldige mich, werde rot, kneife die Augen zusammen, doch Herta interessiert das nicht. Ich ziehe mich so schnell wie möglich um und verlasse fluchtartig das Schwimmbad.

Ja, die meisten haben das Konzept verstanden, dessen bin ich mir sicher, und schwimmen ist ja auch ein toller Sport. Man bewegt sich am ganzen Körper und… und… Verdammt, ich kauf mir einfach ein Mountainbike.

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