unerlebtuntief

Liebe in Zeiten von Corona

(c) Visuals ZS7Zzn_Nn

Liebe ist jetzt, wenn dir an der Landesgrenze aufgeht, Bestechungsversuche sind zwecklos und du mit Magenweh alleine zurückfährst, woher gekommen bist;  wenns dich von Skypecall zu Skypecall freust, aber aufs Video lieber verzichtest, weils so leichter ist; wenn die Beschäftigungstherapie anschlägt, du Adobe endlich ein perfektes Bild abgerungen hast, die Tür aufreißt, schon nach deinem Partner rufen willst und dir zeitgleich einfällt – DIE FUCKING GRENZE IST JA IMMER NOCH ZU! Vor allem ist Liebe in der Zeit mit Corona aber für alle anders: Paare erzählen…

 

Alice und Valentino

(c) Valentino L.

Alice: I’m spending the quarantine in my village in Marche (Italy), where I was stuck by lockdown. My family lives in the countryside, so it is the perfect place to be: I have online classes and then I can go out for a walk. The missing piece is just one, Valentino, who is 300 km away. In Pisa, where we live, we spend most of the time together.  Now we watch at the same time tv shows and movies we would have watched in the same room, and we have a lot of calls – Valentino walks with me and my dog every day. We have always been used to chat, write and call each other, even when we are few meters away, and in these years we have already spent time without see each other. This time it’s harder because we don’t know when it is going to end.

Valentino: (Pisa/Italy) Es ist schwierig, Alice fehlt mir furchtbar. Nie waren wir so lange getrennt. Wir rufen uns oft gegenseitig an, am Telefon, ohne Video. Mit einer Ausnahme: Wir beide sind bei einem Umweltverein in Pisa aktiv und wenn wir an Zoom-Sitzungen mit den anderen Mitglieder_innen teilnehmen, warten wir, dass die anderen das virtuelle Meeting verlassen, um zu zweit zu bleiben. Für unseren Jahrestag hatten wir geplant, am 25. April nach Lissabon zu fahren (letztes Jahr waren wir dort als Erasmusstudent_innen). Jetzt ist die Reise verschoben und man weiß nicht, wann wir uns wiedersehen werden… Alice sagt, dass sie auf den Zitronenbaum auf meinem Balkon neidisch ist, weil sie sich auch neben mich sitzen möchte. Und ich warte ungeduldig auf diesen Tag.

Julia mit Kai 

(c) Julia R.

(Südtirol) Die ersten Tage in Quarantäne waren fast wie Alltag für mich. Ich arbeite von zu Hause aus und Kai ist im Büro. Doch dann kam der Tag als Kai heimkam und mir verkündete, dass er am nächsten Tag ins Home Office wechseln wird. Mein erster Gedanke: Oh Gott, ob das wirklich gut geht? Wir sind jetzt sein 1,5 Jahren ein Paar und wohnen seit einem halben Jahr zusammen. Dazu kommt, ich arbeite fast nur von zu Hause aus  und bin es gewohnt untertags unsere 45m² kleine Zweizimmerwohnung nur für mich zu haben. Inzwischen sind 4 Wochen ins Land gezogen und ich bin sehr positiv überrascht darüber wie gut alles klappt. Für uns das Wichtigste: Respekt für den Anderen, seine Bedürfnisse und Wünsche haben. Einige Freunde meinten: wenn ihr das schafft, dann hält eure Beziehung; Ich denke ich kann für länger planen ;).

Sofia mit Bea

(c) Jared Murray

Background: me and my girlfriend have been living together for almost five years in Italy. The longest time we spent apart are two weeks, due to me moving to Switzerland. Two weeks felt like infinite time, but knowing when we were going to see each other again made it bearable. Then Corona came. The days now are all the same: another day without seeing her. We spend a lot of time on the phone, but we rarely make videocalls. Seeing her without being able to hold her, makes the pain so real it`s unbearable. She`s in Italy in complete lockdown in a two rooms apartment. When I go trekking I feel guilty for doing nice things while she can`t even go out for a walk. I don`t know when I will be able to see her again. I tend to pretend that is not true, but when I think about it the pain is so intense it becomes physical. Sometimes I`m just sad. I`m not hungry, I cannot focus at work, I can`t even finish this list. I`m so sad, it`s exhausting.

 

Annamaria mit B.

(c) Gaelle Marcel

Mein Freund und ich sind seit über drei Jahren zusammen, wir sind beide Biologen und arbeiten in der Forschung. Er lebt in Wien und ich in Zürich. Im Schnitt sehen wir uns alle drei Wochen für ein gemeinsames Wochenende, das letzte Mal waren wir am 1. März Skifahren in Tirol (nicht in Ischgl). Als sämtliche Grenzen geschlossen und wir beide ins home office verbannt wurden, war uns klar, dass wir uns für eine ganze Weile nicht mehr sehen würden. Anfangs war das auch gar nicht so schlimm, denn durch unsere Fernbeziehung waren wir es gewohnt getrennt zu sein. Wir haben begonnen häufiger zu telefonieren, obwohl unser beider Leben gerade weitaus weniger spannend ist als vor dem Corona bedingten Lockdown. Aber es ist schön, sich gegenseitig auszutauschen, vor allem wenn die Flut an schlechten Nachrichten auf sämtlichen Kanälen mal wieder überwältigend wird.

Aber mit der Zeit wurde die Distanz, die uns räumlich trennt, spürbarer. Ich würde gerne anfangen die Tage zu zählen bis wir uns wiedersehen können. Aber wann dieser Tag sein wird, an dem innereuropäische Reisen wieder möglich sein werden, das steht noch in den Sternen. Werden die Grenzen als letztes geöffnet? Oder schon recht bald nachdem auch Geschäfte ihren Betrieb wieder aufnehmen können? Weil ich diese Ungewissheit bedrückend finde, versuche ich derzeit weniger an die Zukunft zu denken und mich mehr auf die Gegenwart zu konzentrieren. Dann wird mir auch bewusst, wie gut es uns eigentlich geht, dass niemand aus unserer Familie bisher erkrankt ist und wir beide trotz der Krise nicht um unseren Job fürchten müssen. Beim Oster-Videotelefonat mit der ganzen Familie fühle ich mich dann auch nicht mehr so weit weg von allen. Für die nächste Zeit heißt es also: Abwarten und Schokohasen essen.

Marco und Dora

Marco:  (Schweiz) Meine Partnerin lebt in einer WG eines Bekannten von mir. Wir leben also nicht zusammen, aber das taten wir ja bisher auch nicht. Ihr Forschungsaufenthalt im Ausland hat es physisch und unser individualistischer Charakter auch psychisch unmöglich gemacht. Da der Rest ihrer WG zum Isolieren in die Berge gefahren ist, müssen wir nicht mehr auf die Isolation der beiden WG bestehen und können uns auch näher kommen. Die Unterteilung in Work (bei mir) und Play (bei ihr) empfinde ich sowieso als sehr produktiv, meine Lebensqualität (und nebenbei meine Arbeitsproduktivität) wird also vermutlich mit regelmäßigen Besuchen wieder steigen – so wie sie damals am Anfang unserer Beziehung war.

Wir konnten uns jetzt 8 Monate im Skypen üben, ein paar Wochen mit weniger physischem Kontakt als üblich werden wir jetzt allemal noch durchstehen.

Trotzdem, ich empfinde die Kommunikation mit dem Partner als viel tiefgründiger und ehrlicher von Person zu Person. Ich habe auch bemerkt, dass ohne diese tiefgründige Kommunikation mit meinem Partner mein Selbstreflexionsvermögen auch fast nicht vorhanden ist. So ist mein Idealstatus eines unendlichen Vertrauens beider Partner ineinander mit dem Social Distancing (während ihres Forschungsaufenthaltes und Corona) gänzlich unmöglich. Die gefühlte Distanz zwischen uns war so groß, dass wir nach 12 Wochen ohne physischen Kontakt doch eine ganze Woche gebraucht haben, bis wir uns wieder wirklich (im wahrsten Sinne des Wortes) verstanden haben. Darum freut es mich umso mehr, wenn nun langsam die Krise abflaut, und das normale Leben, ohne Austausch und ohne Corona wieder beginnt.

(c) Toa Heftiba

Dora:  Wir waren kürzlich noch auf Reisen an der Ostküste der USA. Unsere Flüge sollten Sonntag Abend gehen – meiner zurück nach San Francisco weil Forschungsaufenthalt, seiner in die Schweiz. Ich habe während der ganzen Reise überlegt, wo wir die nächste Zeit wohl verbringen sollen. Ich wollte nicht zurück in die Schweiz: Meine Wohnung war noch untervermietet, das Land stark vom Virus betroffen, und die Gegend in San Francisco schien nicht so viele Fälle von Corona zu haben, aber schnell zu handeln. Ich stellte mir vor, mein Freund würde zunächst für ein paar Wochen mit mir dort bleiben, bis sich die Lage in der Schweiz bessern würde. Aber er wollte zurück. Ich vertrieb mir die letzten Tage in New York mit Walking Tours – alleine. Auf meinem Rückflug gab es mehr Personal als Passagiere.

Zurück in San Francisco war die Unsicherheit gross: Ich hoffte, dass sich die Situation bis zu meiner Rückreise Mitte April entspannen würde. Dass die USA nur aufgrund mangelnder Tests so geringe Zahlen hat, wurde mir erst allmählich bewusst. Ich versuchte, mein Leben zu leben und mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Das klappte nur mässig. Dann rief mein Arbeitgeber alle Mitarbeiter aus dem Ausland zurück. Die Einreise gestaltete sich schwierig – meine Aufenthaltsbewilligung war erloschen. Am Telefon hieß es, ich könne nicht einreisen ohne gültige Bewilligung. Den Flug hatte ich aber schon und packte also Schlafsack und Campingmatte in mein Handgepäck: Ich war darauf vorbereitet, auf dem Flughafen zu campieren und einen Flug nach Deutschland zu nehmen, falls die Schweizer mich nicht reinließen.

(c) Vladimir Kudinov

An der Grenze war die Situation wie befürchtet. Ich erklärte dem Kontrolleur die Situation. Er sagte lachend, das nütze alles nichts, und wedelte abwertend mit meinem deutschen Reisepass. Aber er griff zum Telefon. Nach ein paar Rückfragen durfte ich passieren. Ich war erleichtert und bezog ein WG-Zimmer in der Wohnung des Bruders meines Freundes. Meinen Freund sah ich erst mehrere Tage später, denn als korrekter Schweizer wollte er keinen Regelverstoß begehen. Da wir nicht im selben Haushalt lebten und auch noch beide in WGs, wollte er die 2 Meter Abstand einhalten. So trafen wir uns für einen Spaziergang auf Abstand und aßen Pizza mit 2 Metern zwischen uns. Das Problem war nicht ich, sondern mehr das undurchsichtige Netz an Verstrickungen durch meine drei Mitbewohner: Alle hatten einen Partner. Diese Partner wohnten auch in WGs, so dass völlig unklar war, wer in meinem Ansteckungskreis ist. Erst als meine Mitbewohner alle wegfuhren, konnten mein Freund und ich uns wieder vereinen. Jetzt freue ich mich auf ein paar Tage mit ihm zusammen. Anfang Mai kann ich wieder meine ursprüngliche Wohnung beziehen, so dass wir uns wieder mit ruhigem Gewissen sehen können.

Annalisa mit D.

Ich bin in einer Beziehung seit fünf Jahren, lebe in Fernbeziehung seit zirka vier: München-Verona, Südtirol-Verona, Südtirol-Zürich, Südtirol-München. Wegen der Arbeit, dann Studium, dann Arbeit und jetzt wieder Studium. Das hat mehr oder weniger immer geklappt, trotzt der Kilometer und Stunden im Zug. Es ist schwierig, aber irgendwie machbar. Normalerweise sehen wir uns einmal die Woche oder zweimal im Monat, hängt von der Arbeit/Studium ab. Das letzte Mal haben wir uns in München gesehen. Wir organisieren die Fahrt abwechselnd: einmal ich und einmal mein Partner.

(c) Jorge Salvador

Es war den 9. März als D. gestartet ist, es war ein schönes normales Wochenende, in der Lombardei gab es zu viele Corona Fälle, suspekte Zahlen. Dann ist die Lombardei rote Zone geworden und Österreich hat die Grenze zu Italien gesperrt. Dann ist Italien rote Zone geworden. Ich bin allein in München geblieben. Seitdem sahen wir uns nur via Video-Call auf dem Handy. Am 12. März bin ich mit einem Kollegen per Auto nach Hause gefahren. Mir waren die Risiken bewusst. Was soll ich in München ganz allein machen? Ich wohne allein. Die Universität ist geschlossen. Quarantäne. Am 13. März nachts habe ich die Wohnung meinen Eltern erreicht (auf meinen Dokumenten steht, dass ich mit meinen Eltern wohne). Ich habe mich in meinem Kinderzimmer gesperrt und bin erst nach vierzehn Tagen wieder dort rausgekommen. Autoquarantäne. Seitdem habe ich diese Wohnung nicht mehr verlassen. Immer noch Quarantäne.

Mein Partner wohnt 10 km entfernt. Es ist verboten den Wohnort zu verlassen, außer für die Arbeit (die ich nicht habe); es ist verboten zu Joggen oder mit dem Fahrrad zu fahren. Wir sind uns nähergekommen, aber trotzdem weit entfernt von einander. Es ist schwierig, weil man keine Pläne machen kann, die Schließung Italiens wird schluckaufmäßig verlängert und diese zehn Kilometer schmerzen.

#undihrso?

 

Leave a Response