unweltlich

Unerreichbar

„Ringring“ – „Bing“ – „Drrrr

smartphone, handy, immer am telefon, social media, sucht(c) Clem Onojeghuo

„Unerreichbar“ ist ein Artikel unserer Gastautorin Lina W.

Alle paar Sekunden vibriert es, klingelt es, gibt Laute von sich, nervt, zieht die Aufmerksamkeit auf sich. In der U-Bahn sitzt jeder nach vorne gebeugt, auf den Bildschirm starrend. In den Straßen stoßen Leute zusammen vor lauter Nicht-Hochschauen – „Sorry!“.

Solange Autos nicht zusammenstoßen – ach, das gab’s ja auch schon.

Jeder lässt sich nur zu gerne von seinem Handy vom Lernen ablenken. Jeder läuft in der Öffentlichkeit mit einem Mobiltelefon in der Hand rum. Ohne fühlt man sich irgendwie leer, etwas fehlt.

Und ich muss ganz ehrlich zugeben, mir geht es nicht anders. Nein falsch, mir ging es nicht anders. Doch ich habe einen Selbstversuch gestartet. Ich wollte wissen, ob ich wirklich auch so abhängig bin, wie es viele in der Öffentlichkeit, aber auch Freunde privat, wirken, oder ob ich diese „Sucht“ doch noch unter Kontrolle habe. Und vorne weg kann ich verraten: ich bin stolz auf mich.

Anfangs war es komisch

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(c) Clem Onojeghu

ohne Handy in der Hand zur U-Bahn zu laufen. Kein Telefonat mit der Mama, der Cousine, einer Freundin; kein Snapchat-Foto an meine Studienkollegen, dass ich schon am Weg bin; und kein nervöses: Ich-weiß-nicht-wo-ich-hinschauen-soll,-deshalb-schau-ich-auf’s-Handy; Ich vertrieb mir die Zeit anfangs damit, die Gegend intensiv zu betrachten, andere Leute zu beobachten und alle Geräusche und Gerüche auf mich wirken zu lassen. Und ich kann dies Jedem empfehlen, denn:

man nimmt auf einmal neue Dinge wahr, man verspürt gute Laune, einfach weil man lebt.

Angetrieben, diesen Selbstversuch zu starten, hat mich ein kleines Kind im Bus. Der Junge saß brav neben seiner Mama mit einem Traktor in der Hand und schaute gespannt den vorbeifliegenden Häusern, Autos und Menschen auf der Straße nach. Total konzentriert war er, still zu sitzen und alles in sich aufzunehmen. Dann sagte er auf einmal: „Es holpert.“

Da wurde mir erst bewusst, dass ich das selbst noch gar nicht verspürt hatte. Einfach nur, weil ich mich nicht darauf konzentrierte, mit den Gedanken woanders war, gerade eine SMS geschrieben hatte.

Es durchfuhr mich und ich wünschte mir, ich wäre wieder jung, ein Kleinkind, um all die Dinge nochmal von vorne zu entdecken.

Und dann dachte ich: Warum denn? Ich kann auch jetzt das Leben genießen, Äußerliches in mich aufnehmen und es einfach wirken lassen.

Seitdem ich also in der U-Bahn sitze, mein Telefon irgendwo im Rucksack verstaut habe und ein Buch lese, eventuell leise Musik höre oder einfach nur dasitze, andere Leute beobachte und einfach nichts mache, seitdem fühle ich mich besser! Und vor allem auch unerreichbar.

 

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