unsexy & unsittlichunveröffentlicht

Nobel geht die Welt zugrunde

„Ich weiß nur, dass ich nicht bereit bin. Bereit für was? Für uns.“

Liebe, Trennung, Beziehung, Leben(c) Jacob Culp

Leonie saß in der großen Wohnung auf dem Boden vor dem Fenster.

Sie starrte auf die Berge. Sie waren so groß und mächtig. Manchmal hatte sie das Gefühl sie würden sie einsperren, und doch gaben sie ihr ein Gefühl von Sicherheit. Steinerne Riesen, die sich schlafen gelegt haben. Regungslos und unbeeindruckt von Zeit, Wetter und dem Leben rings herum.

Berge, Liebe, Tirol. Beziehung, Trennung
(c) Azi Trent Yarnell

Sie beobachtete ein näher kommendes Flugzeug: es sah so aus als würde es direkt in ihre Wohnung fliegen und am Esstisch landen. Langsam begann es zu dämmern und in den Dörfern ringsherum gingen die Lichter an. Es war ein herrlicher Ausblick und eine herrliche Wohnung. Sie blickte sich um, alles war perfekt. Sauber, aufgeräumt. Menschen lächelten von Bildern, die an den Wänden hingen.

Liebe, Beziehung, Wohnen, Leben, Zusammen, Trennen
(c) Annie Spratt

Pflanzen standen perfekt arrangiert im Raum. Kissen lagen aufgeschüttelt auf dem neuen Sofa. Stille beherrschte den Raum. Sie stand auf, ging durch die Wohnung, wusste nicht nach was sie suchte, doch öffnete sie alle Schubladen, die Kästen und die Kommoden. Alles war normal. Die Stille erdrückte sie fast. Sie ging zum neuen Weinschrank und öffnete eine der teuersten Flaschen die sie dort fand. Sie goss ihr Glas bis zum Rand voll und setzte sich wieder vors Fenster auf den Boden.

Wann er wohl heimkommen würde? 

 

Weinen, Beziehung, Trennung, Liebe
(c) Naomi August

Sie nahm einen großen Schluck, der Wein war gut und mit dem Geschmack wurden Erinnerungen wach. Abendessen. Kerzenschein. Glücklich sein. Sie begann zu weinen. Aus stillen Tränen wurde großes Schluchzen. Sie weinte bis sie fast keine Luft mehr bekam. Wand sich am Boden, goss dabei den Wein um, spürte den Schmerz, der ihren Körper einnahm, vom Herzen ausgehend, sich ausweitend, ihr den Atem nehmend. Sie weinte so sehr, dass in ihrem Kopf ein Druck entstand, der immer stärker, immer mächtiger wurde. Sie verlor die Kontrolle, lag am Boden im teuren Wein und schnappte nach Luft. Der Mascara verlief. Schwarze Tränen tropften auf den hellen Parkettboden. Der Zusammenbruch hielt fast eine Stunde an, bis sie sich ins Bad schleppte.Sie legte sich in die Wanne und füllte sie mit heißem Wasser, allmählich beruhigte sie sich. Und so schnell wie es kam, verging es wieder. Sie wischte den Wein auf und setzte sich vor den riesigen Fernseher.

Sie hörte den Schlüssel in der Tür und rührte sich nicht.

Ihre Augen waren immer noch verquollen und taten weh. Starr saß sie auf dem Sofa und versuchte mit aller Kraft unsichtbar zu sein. Er kam herein. Wortlos auf sie zu, küsste sie auf den Mund, ohne ein Wort und ohne einen Blick. Stumm zog er sich Jacke und Schuhe aus, legte seinen Schlüssel in das Schlüsselfach und verschwand im Bad. Im Fernsehen lief irgendwas Banales. Leonie versuchte der blonden Moderatorin zu folgen, aber so sehr sie sich auch konzentrierte, sie nahm kein Wort davon wahr.

Er sah müde aus als er aus dem Bad zurück kam, tiefe Ringe hingen unter seinen Augen. Fabian setzte sich auf das Sofa. Noch immer kein Wort, kein Blick. Minuten wie Stunden. Stille, so laut, dass ihr beinahe das Trommelfell davon zersprang. Sie stand auf, streifte herum – alles nur nicht seine Nähe. Er hatte ihr nicht einmal in die Augen gesehen.

„Wie war dein Tag, Schatz?“

„Ganz okay“, antwortete er und wandte sich wieder dem Fernseher zu. „Hast du schon zu Abend gegessen?“, versuchte sie es noch einmal. „Nein, aber ich habe keinen Hunger“, antwortete er. Jedes Wort eine Qual. „Ich habe extra auf dich gewartet, dass wir gemeinsam essen können. Ich war einkaufen und könnte uns was kochen.“ „Leo, ich hab doch gerade gesagt, ich habe keinen Hunger, ich bin müde. Mein Tag war anstrengend, ich möchte jetzt einfach nur ein bisschen Ruhe haben“, seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter und ungeduldiger. „Aber wir haben uns schon lange nicht mehr unterhalten, lass uns doch einfach ein bisschen reden,“ setzte sie zum letzten Versuch an. „Herr Gott Leo, wie oft denn noch, ich bin müde!!“

Seine Worte schnitten durch die Stille wie ein scharfes Messer durch ein Stück Fleisch.

Er drehte den Fernseher lauter. Sie sprang auf, lief ins Schlafzimmer und knallte die Tür hinter sich zu. Sie weinte bis sie vor Erschöpfung einschlief.Er lag draußen auf der Couch und machte den Fernseher noch einmal eine Spur lauter. Er konnte diese lächerliche Heulerei einfach nicht mehr ertragen.

Love, Liebe, Verletzungen, Trennung, wir, zusammen
(c) Adam Birkett

Als er das Büro verließ hatte es schon begonnen zu dämmern.

Er war müde, der Tag war anstrengend, doch Fabian wollte nicht nach Hause gehen. Er ertrug es einfach nicht mehr, er wusste dass etwas nicht stimmte aber er konnte es sich nicht erklären. Dinge die er früher an ihr liebte gingen ihm auf die Nerven. Das ständige Widersprechen, nachhaken, anstarren. Er kannte den Ablauf bereits, sie würde weinen und schreien, die Nerven verlieren und ihn unter Druck setzen, und er würde nicht wissen was er sagen sollte. Die Ecke, in die sie ihn drang, kannte er gut genug. Deshalb ließ er es lieber gleich.

Er entschied sich dafür, den Tag mit einem Bier ausklingen zu lassen. Ein bisschen Ruhe, ein bisschen Frieden. Als er nach Hause kam, sah er sie auf dem Sofa sitzen. Sie hatte wieder einmal verweinte Augen. Einen kurzen Moment lang überlegte er ob er sie fragen sollte was los ist.

Doch er entschied sich dagegen. Er hatte keine Lust mehr auf die immer gleichen Diskussionen. Nach einem kurzen Gespräch rannte sie ins Schlafzimmer. Er wollte sie nicht trösten. Sie würde ihn nur anschreien. Sie passten einfach nicht zueinander.

Und je lauter er den Fernseher drehte desto bewusster wurde es ihm. Sie passten einfach nicht zueinander. Und über den Gedanken schlief er ein. Als er nachts ins Schlafzimmer wechselte schaute er seine schlafende Freundin an. Lange und eindringlich. Wie sehr er diese Frau liebte. Er vermochte es mit Worten nicht auszudrücken.

Und doch:

als er sich zu ihr legte, wusste er dass es bald vorbei sein würde.

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