Manche sind Richter und sorgen für Gerechtigkeit, manche sind Lehrer und sorgen für Bildung – und andere sind Clowns und sorgen fürs Lachen, damit den Menschen in diesem schnellen, leistungsorientierten Leben nicht der Kragen platzt. Clowns mit Leib und Seele sind auch Manfred Unterluggauer und Helga Jud – besser bekannt als Herbert & Mimi.
Der Tiroler und die Südtirolerin sind seit den 90ern in Innsbruck als „Rote Nasen Clowndoctors“ und freischaffende Clowns tätig, haben sich 1999 zum Duo zusammengeschlossen und sind mittlerweile nicht nur sehr erfolgreich – zuletzt beim AK Kindertheater in Tirol (siehe Bild) – sondern auch privat ein Paar. Wie es sich als Clown lebt, denkt und arbeitet, warum unsere Gesellschaft mehr Leichtigkeit nötig hat, Kindern das Spielen nicht genommen werden darf und Erwachsene zwischen Powerpoint-Präsentationen auch mal „Milchshaken“ sollen, erzählten sie unhappy us beim Interview in gemütlicher Kaffeehaus-Atmosphäre.
Clown ist ein außergewöhnlicher Beruf – wie kommt ihr dazu?
Helga: Bei mir war‘ s totaler Zufall. Ich habe in Innsbruck studiert und habe dann in einer Annonce gelesen, dass sie für das Krankenhaus Clowns suchen. Mich hat dabei aber weniger der Aspekt des Clowns angesprochen, sondern mehr die Arbeit im Krankenhaus. Ich habe mich dann zum Workshop gemeldet und bin genommen worden – das war noch ganz am Anfang der Roten Nasen.
Manfred: Ich wollte eigentlich immer Rockstar werden [lacht] und habe in einer Rockband gespielt…und dann wollten wir was machen, wo auch Leute hinkommen. Wir haben also ein Kasperltheater aufgebaut und gespielt. Dann hab ich zufällig von dem Roten Nasen-Workshop gelesen und bin auch genommen worden. Das war ein Jahr früher [als bei Helga].
Die Entscheidung war offenkundig richtig – ihr scheint beide sehr glücklich und zufrieden zu sein. Was hat euch persönlich veranlasst dabei zu bleiben? Was ist das Besondere?
Manfred: Ich bin eigentlich Techniker bei den Verkehrsbetrieben gewesen und habe das eine Zeit lang parallel betrieben, neben den Roten Nasen und dem Kasperltheater. Irgendwann ist es mehr geworden mit der Clownerie und wir haben dann auch unser Duo Herbert & Mimi gegründet – da hat sich dann die Frage gestellt: Wo fällt das Herz hin? Was möchte ich machen? Und dann hab ich gesagt: Ich will die Clownerie weitermachen. Das war der Einstieg.
Helga: Es ist schon die Freude im Laufe der Zeit daran gewachsen, unterhaltsam sein zu können und wirklich Menschen zum Lachen zu bringen. Das ist nach wie vor die größte Motivation für mich. Das ist nicht einfach, aber eine super Arbeit.
Hat euch das Clown-Sein persönlich verändert? Hatte es Einfluss auf euer Leben? Eure Sichtweise?
Helga: Es ist etwas, das mir in meiner persönlichen Entwicklung sehr geholfen hat. Clownerie hat, wenn man es ernsthaft betreibt, sehr viel mit einem selbst zu tun. Man lernt über gewissen Dingen zu stehen und alles ein bisschen leichter zu nehmen. Gleichzeitig ist es eine künstlerische Arbeit, ein Handwerk, das man üben muss und das sehr viel Präzision und Technik verlangt.
Manfred: Zunächst einmal ist Clown-Sein eine Lebenseinstellung. Es ist eine bewusste Entscheidung. Ich habe früher geclownt und nie gesagt, dass ich ein Clown bin – erst nach sieben Jahren habe ich gesagt: Jetzt bin ich Clown, das ist mein Beruf. Das hat aber noch mit mehr zu tun: mit Offenheit für viele Bereiche, mit Neugierde für alles. Man muss immer reagieren können, z.B. wenn ein Trick nicht funktioniert. Entweder ich scheitere ganz wild oder ich bin offen und probiere, probiere, probiere. Das macht einen Clown aus.
Ihr seid ja auch privat ein Paar…
Manfred [grinst]: Ist das wichtig?
Helga [lacht laut]: Tu nur nicht so geheimnisvoll!
Manfred: Ja, vielleicht verbau ich mir ja Chancen?
Helga: Die verbau ich dir jetzt [beide lachen]…. wir waren lange Zeit ein Arbeitsteam und haben uns dann ineinander verliebt – im Laufe des zusammen Arbeitens haben wir da extrem viel Zeit miteinander verbracht, jetzt sind wir schon länger eine…Arbeits-Beziehung?…Freundschafts- und Liebesbeziehung?
Manfred: Naaa [lacht]…. einfach ein Paar.
Wie lebt und arbeitet es sich als Clown-Paar? Probt ihr viel zu Hause?
Manfred: Die Nummern, die wir spielen haben wir intus, aber auch dort gibt es Timing-Sachen, die wir kurz durchgehen…aber wir schreiben ja immer Programme, wir sind eigentlich ständig am Arbeiten und so proben wir auch, wenn wir nicht gerade auftreten.
Helga: Proben heißt manchmal auch sich zusammensetzen, brainstormen, oder wir stolpern über Lieder oder sehen etwas auf Youtube. Das sind Denk- und Redeprozesse, die den Stücken vorausgehen.
Ist es schwieriger Erwachsene zum Lachen bringen als Jugendliche oder Kinder?
Helga: Ja und nein. Wir haben gemerkt, dass unsere Nummern – die sehr ehrlich sind – so wie sie gebaut sind auch Erwachsenen gefallen. Da geht es oft wirklich um menschliche Schwächen und Unzulänglichkeiten, über die beide lachen können.
Manfred: Wir haben schon den Anspruch, dass wir auch die Eltern unterhalten wollen. Wir beobachten oft, dass Eltern z.B. mit ihren Kindern in den Zirkus gehen und dann mehr über den Clown dort lachen als die Kinder. Das ist spannend. Die Eltern schauen sich das mit den Kindern an und lassen sich oft mittragen – oder lachen, weil sie ihre Kinder oft ganz anders erleben. Das ist auch bei uns so.
Bei unhappyus geht es um eine Generation, die zwar viele Möglichkeiten hat, aber auch unter Druck steht und manchmal orientierungslos ist – daher (un)happy. Fehlt es uns bzw. fehlt es der Gesellschaft eurer Meinung nach auch an „Lachen“ und würde es helfen, mehr davon zu haben?
Helga: Es ist schon ein Manko. Die Clownerie hat keinen großen Stellenwert in der Gesellschaft und trotzdem merken wir jedes Mal, dass es ein irres Bedürfnis ist für die Leute – sie kommen manchmal ganz befreit und gelöst davon heraus. Ich denke oft, dass genau das fehlt: Die Erlaubnis leicht zu sein, nicht alles so ernst zu nehmen….kindisch kindlich und nicht so erwachsen rational [lacht].
Manfred: Lachen hilft auf jeden Fall. Es fehlt prinzipiell an Leichtigkeit. Es wird so viel Ernstigkeit in Sachen gelegt, die gar nicht so wichtig sind…weil sich die Wertigkeiten verschieben: Man muss wahnsinnig erfolgreich sein, man muss Geld verdienen, braucht einen gewissen Standard – in gewisser Weise ist der angenehm. Aber irgendwann muss man auch andere Werte zulassen und denen den Stellenwert geben, den sie haben sollen: Freude, etwas miteinander zu tun, Freunde zum Lachen bringen anstatt diese Ernsthaftigkeit zu betreiben – aber das ist uns anerzogen…
Kannst du das näher erklären?
Manfred: Wenn ich sehe, dass Kinder im Kindergarten Englisch-Stunden machen müssen, denke ich mir: Nein! Kinder sollen spielen lernen, nichts anderes.
Mich schockiert mehr, dass sich Kinder nicht mehr bewegen können. Da stimmt doch etwas nicht. Später fehlt den Leuten genau das – egal ob sie dann eine Führungsposition inne haben oder nicht. Nicht umsonst müssen wir Manager in Kreativ-Kurse schicken – denen fehlt was, und das fängt schon ganz früh an. Aber es stimmt schon, dass wir alle unter großem Druck stehen, daher auch dieses Krankheitsbild Burn-out. Grund dafür ist, dass wir so viel erfüllen müssen, weil die Erwartungen so hoch sind – und oft weiß ich gar nicht, welche Erwartungen [lacht] – das ist ja die Frage.
Helga: Der Clown gibt die Gegenfigur zu dem Ganzen. Da musst du nicht leisten, da kannst du Fehler machen, scheitern, nochmal aufstehen und nochmal probieren – das ist nicht schlimm, im Gegenteil. Der Clown kommt über Umwege zum Ziel. Das ist ein anderer Zugang zum Leistungsdruck.
Manfred, du hast auch eine Lachyoga-Ausbildung. Was können wir persönlich tun, um im Leben „happier“ zu sein, dem Alltag entspannter gegenüber zu treten?
Manfred: Für den Clown ist Lachen der Applaus. Lachyoga hat aber einen anderen Zugang – nicht Humor. Lachen an sich ist im ältesten Teil unseres Gehirns, im Stammhirn vertreten – die Frage ist: Warum ist das nicht schon weggefallen? Vielleicht können wir übers Lachen mehr Stress abbauen. Ich bin da auch öfters eingeladen zu Seminaren, z.B. zu Präsentationen. Nach zwei Stunden sind die Leute fertig. Dann habe ich eine Viertelstunde Lachyoga mit ihnen gemacht: so richtig auf hahaha, hihihi und mit Milchshaken [shaket in der Luft, trinkt aus einer imaginären Flasche und lacht mechanisch]. Natürlich wird man am Anfang mit solchen Augen angeschaut, aber nach dieser Viertelstunde war die Gruppe ganz anders da. Noch etwas Interessantes: Kinder lachen 300 Mal am Tag, Erwachsene nur 20 Mal. Vielleicht muss man in seinem Leben schauen, dass man mehr lachen kann. Beim „Club der toten Dichter“ sagt der Lehrer: Stellt euch auf den Tisch und schaut mit einer veränderten Perspektive hinunter – genau das ist es: Ich kann vergrämt sein und da eine Lösung suchen oder ich kann mir alles aus anderer Perspektive ansehen, kurz darüber lachen und suche dann eine Lösung. Es ist immer ein Aussteigen und man muss sich fragen: Muss das Leben so schnell sein? Muss ich so einen Stress haben? Wenn ich’s langsam angehe, geht‘ s nicht gleich schnell?
Helga: Manchmal hilft es schon mit einem Grinsen durch die Gegend zu gehen – ein paar steckt es an.
Abschließend noch drei kurze Fragen:
1.) Wann habt ihr das letzte Mal etwas zum ersten Mal gemacht?
Manfred: Wir sind gerade übersiedelt und haben den Boden abschleifen müssen – das hab ich zum ersten Mal gemacht [lacht].
2.) Einmal und nie wieder?
Manfred: Übersiedeln!
Helga: Zuerst reden und dann denken.
3.) Du kannst eine Sache in deinem Leben ändern, was wäre das?
Manfred: Ich möchte meine Wutanfälle…stärker haben [grinst].
Helga: Ich würde nicht mehr so entsprechen und gefallen wollen.